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Fallstricke interner Ermittlungs­verfahren – Neue Hinweise zu rechts­sicherem Vorgehen

Das wachsende Bewusstsein von Managern für Compliance führt immer häufiger zu internen Ermittlungen zur Aufklärung tatsächlicher oder vermeintlicher Straftaten und Vertrags­verstöße. Diese Tendenz wird sich durch das in Kürze zu erwartende Hinweisgeberschutzgesetz und das Anfang nächsten Jahres in Kraft tretende Lieferketten­sorgfalts­pflichten­gesetz noch verstärken. Schon jetzt aber gibt es eine auffällige Häufung arbeits­gerichtlicher Entscheidungen zur Durchführung interner Ermittlungsverfahren.

Insbesondere die Entscheidungen des LAG Baden Württemberg vom 03.11.2021 und die Entscheidung des Bundesarbeits­gerichts vom 29.04.2021 enthalten wichtige Hinweise für Arbeitgeber, was bei „internal investigations“ zu beachten ist.

LAG Baden-Württemberg vom 03.11.2021 (10 Sa 7/21)

Sachverhalt

In dem äußerst komplexen Fall ging es um eine fristlose Kündigung eines Vertriebsleiters eines Unternehmens der Luftfahrtindustrie. Altersbedingt war der Arbeitnehmer, der nicht als leitender Angestellter anzusehen war, nicht mehr ordentlich kündbar.

Hauptauftraggeber des Arbeitgebers ist das Bundesministerium für Verteidigung. Das Unternehmen erhielt von einem anonymen Whistleblower einen Hinweis darauf, dass in einem Vergabeverfahren unter Verstoß gegen Geheimhaltungs­vorschriften Informationen des Ministeriums genutzt worden sind, um widerrechtlich einen Vorteil im Vergabeverfahren zu erlangen.

Interne Ermittlungen unter Führung der eigenen Compliance-Abteilung und einer externen Anwalts­kanzlei begannen im Juli 2018 und endeten mit der Kündigung des Mitarbeiters im September 2019. Sie richteten sich zeitweise gegen 17 Mitarbeiter. Parallel wurde auch von der Staats­anwaltschaft ermittelt. Im Laufe der internen Ermittlungen wurde der Arbeitnehmer von der beauftragten Kanzlei u.a. im November 2018 befragt.

Die Kosten der Ermittlungen betrugen ca. 5 Millionen Euro, von denen ein Teil (in Höhe einer Jahresvergütung) vom Arbeitgeber im Wege der Widerklage gegen den Arbeitnehmer im Kündigungs­schutzprozess als Schadensersatz geltend gemacht wurde.

Streitig war im Verlaufe des Verfahrens insbesondere, ob die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten war. Hierzu kam es vor allem auch darauf an, ab welchem Zeitpunkt der Ermittlungen hinreichend Kenntnis eines Kündigungsberechtigten vorlag und somit die Frist für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung begann.

Das LAG Baden-Württemberg sah die Frist im Fall als versäumt und hat der Klage (wie schon die Vorinstanz) stattgegeben und die Widerklage (auf Schadensersatz) abgewiesen. Die Revision wurde zugelassen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht nahm in seinen Gründen zunächst zu dem Argument Stellung, der Arbeitgeber habe bis zum Abschluss staatsanwaltlicher Ermittlungen mit dem Ausspruch der Kündigung warten dürfen. Eine Hemmung der Zwei-Wochen-Frist wurde jedoch abgelehnt, dies gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – der Arbeitgeber (auch) selbst ermittelt. Allerdings könne, so das LAG, der Arbeitgeber etwaige neue Erkenntnisse aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren später für eine neue Kündigung nutzen.

Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber gleich zu Beginn der Ermittlungen prüfen muss, ob er selbst ermitteln will (dies muss dann schnell und unabhängig von der Staatsanwaltschaft geschehen), oder aber ob er dieser die Ermittlungen überlässt. Letzteres hat den meist unerwünschten Nebeneffekt, dass der Arbeitnehmer (zunächst) weiterbeschäftigt werden muss.

Ermittelt der Arbeitgeber selbst, muss dies auch dann schnell geschehen, wenn viele Tatverdächtige vorhanden sind. Arbeitsrechtlich muss keine Aufklärung bis in das letzte Detail erfolgen und der etwaige Beitrag anderer Arbeitnehmer ist nicht entscheidend, da es bei einer Kündigung um einen individuellen Vorwurf geht. § 626 Abs. 2 BGB beinhalte keine ermittlungstaktischen, generalpräventiven oder schadensreduzierende Gesichtspunkte als Tatbestandsvoraussetzung. Anders könne dies nur sein, wenn die Staatsanwaltschaft für ein Zuwarten aus ermittlungstaktischen Gründen votiere. Jedenfalls reichen abstrakte Erwägungen, ein Vorgehen gegen den Arbeitnehmer gefährde die Ermittlungen gegen Mittäter oder Unterstützer, nicht aus um den Fristablauf zu hemmen.

Allerdings beginnt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit der Kenntnis eines zum Ausspruch der Kündigung Berechtigten. Hier waren weder die externe Kanzlei noch der Leiter der Compliance-Abteilung zu einer derartigen Entscheidung befugt.

Das LAG Baden-Württemberg nahm allerdings ein Organisationsverschulden des Vorstands an. Es genüge, dass der Kündigungsberechtigte nicht ausreichend sicherstellt und überwacht, dass er jederzeit zeitnah über den Verfahrensstand informiert wird. So kann eine auch nur fahrlässige Unkenntnis zu einer Wissenszurechnung führen. Hier sei der Sachverhalt im Wesentlichen ausermittelt gewesen, jedoch habe sich der Vorstand nur einen Schlussbericht vorlegen lassen und keine zwischenzeitlichen Informationen eingeholt. Es könne nicht einem Ermittlungsteam überlassen werden zu entscheiden, wann genügend Informationen vorliegen, zudem sei es nicht notwendig gewesen einen umfangreichen Schlussbericht zu dem Gesamtgeschehen abzuwarten.
Schlussfolgerungen.

Aus der gerichtlichen Argumentation ist insbesondere für umfangreiche interne Ermittlungen der Schluss zu ziehen, dass bei längerer Dauer (individualisierte) Zwischenberichte angefertigt und vorgelegt werden bzw. von der Geschäftsleitung angefordert werden müssen. Wichtig ist auch unabhängig von der Rechtsmaterie, um die es bei dem Vertragsverstoß geht (z.B. Vergaberecht), immer einen Mitarbeiter der Personalabteilung und/oder einen Arbeitsrechtler im Ermittlungsteam zu haben, damit dieser ggfls. rechtzeitig die notwendigen Schritte (z.B. auch Anhörung Arbeitnehmer und Betriebsrat) einleiten kann.

Die gut begründete Entscheidung gibt viele wichtige Hinweise für die Durchführung von internen Ermittlungen.

Urteil des BAG 29.04.2021 zur Kostenerstattung bei internen Ermittlungsverfahren

Bereits kurz zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht Gelegenheit zur Frage der Erstattung von Ermittlungskosten Stellung zu nehmen. Die Entscheidung stellt erstmals Grundsätze auf, die dann auch das LAG Baden- Württemberg in der obigen Entscheidung sofort umgesetzt hat.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war Leiter des Einkaufs. Aufgrund eines anonymen Hinweises auf finanzielle Unregelmäßigkeiten wurde eine Kanzlei mit den internen Ermittlungen beauftragt. Die Vorwürfe wurden weitgehend bestätigt. Der Arbeitgeber verlangt widerklagend (im Kündigungsschutzprozess) die Erstattung externer Beraterkosten in Höhe von Euro 210.000,- vom Arbeitnehmer.

Entscheidungsgründe

Das BAG wies zwar die Widerklage ab, nahm aber an, dass der Anspruch grundsätzlich gegeben war. Erstmals definierte das BAG die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch. Danach müssen folgende Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen:

  • (drohende) Vertragsverletzung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann
  • Konkreter (auf objektiven Tatsachen beruhender), dringender Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers
  • Erfolg der Ermittlungen (Überführung des Arbeitnehmers)
  • Erforderlichkeit der Ermittlungsmaßnahmen zur Störungsbeseitigung/Schadensverhütung aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Arbeitgebers nach den Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf Art und Umfang;
  • eigene Ermittlungen nicht zielführend oder erfolgversprechend.

Im konkreten Fall scheiterte der Anspruch nur an der nicht ausreichenden Aufschlüsselung der Ermittlungskosten. Erstattungsfähig sind danach nicht reine Rechtsberatungskosten und vorbereitende Handlungen, sondern nur die Ermittlungstätigkeiten ab dem Vorliegen eines dringenden Tatverdachts. Es ist bei Beauftragung und Rechnungstellung externer Ermittler also darauf zu achten, dass die Rechnung die einzelnen Schritte (zeitlich und inhaltlich) aufschlüsselt.

Darüber hinaus wies das BAG darauf hin, dass § 12a ArbGG (wonach die Kosten des Verfahrens in der ersten Instanz von jeder Partei selbst zu tragen sind) einem Erstattungsanspruch nicht entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich gehandelt hat.

Fazit

Es ist zu erwarten, dass es mit dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes wesentlich häufiger als bisher zu internen Ermittlungsverfahren mit hohem Ermittlungsaufwand (u.U. auch im Ausland) kommt.

Arbeitgeber sind dabei gut beraten, sich hierauf vorzubereiten und sowohl organisatorische Vorkehrungen zum Verfahrensablauf zu treffen als auch durch eine korrekte Auftragsbeschreibung sicherzustellen, dass ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch auch realisiert werden kann.